Wer fragt, der führt! Ist das wirklich so?
Als großer Fan der Fragetechnik muss ich immer schmunzeln, wenn ich Online-Anfragen für ein Telefon-, Innendienst- oder Außendiensttraining erhalte, die mit folgendem Satz beginnen:
„Wer fragt, der führt!“
Was will mir der Kunde damit sagen? In der Regel möchte er signalisieren, dass wir im Training unbedingt über Fragetechniken, Einwandbehandlung und Vorwände sprechen sollten. Das deckt sich ohnehin mit unseren Trainingskonzepten, aber dieser klassische Satz bietet immer einen wunderbaren Einstieg ins Gespräch. Oft sorgt er sogar für den ersten Lacher in der Auftragsklärung – ein idealer Eisbrecher.
Doch schauen wir uns diesen Satz einmal genauer an: Führt man wirklich, nur weil man Fragen stellt? Kann ich durch das bloße Stellen von Fragen das Gespräch lenken und die Führung übernehmen? Die Antwort lautet: Nein. Die Realität ist komplexer und gerade im Vertrieb ist es entscheidend, nicht nur Fragen zu stellen, sondern die richtigen Fragen zur richtigen Zeit.
Die Macht der Fragetechnik
Die Fragetechnik ist eines der wirkungsvollsten Werkzeuge, die einem Vertriebsprofi zur Verfügung stehen. Sie hilft, Kunden zu verstehen, Vertrauen aufzubauen und das Gespräch zu lenken. Doch es geht nicht einfach darum, eine Frage nach der anderen zu stellen. Vielmehr kommt es auf den gezielten Einsatz von verschiedenen Fragetechniken an, um den gewünschten Effekt zu erzielen.
Im Vertrieb gibt es mehrere Fragetechniken, die sich bewährt haben. Jede hat ihren Platz und ihre Funktion, und der erfolgreiche Einsatz hängt von der jeweiligen Gesprächssituation und der Beziehung zum Kunden ab
Offene Fragen
Offene Fragen sind ein exzellentes Mittel, um das Gespräch in Gang zu bringen und den Kunden zum Sprechen zu ermutigen. Diese Fragen beginnen meist mit W-Fragen (wer, was, wo, wie, warum) und ermöglichen es dem Kunden, ausführlich zu antworten. Sie sind besonders nützlich, um mehr über die Bedürfnisse, Wünsche und Herausforderungen des Kunden zu erfahren.
Ein Beispiel für eine offene Frage wäre:„Was ist Ihnen bei der Wahl eines Anbieters besonders wichtig?“
Diese Frage regt den Kunden dazu an, detailliert über seine Prioritäten und Erwartungen zu sprechen. Sie hilft dem Vertriebsprofi, wichtige Informationen zu sammeln, die im weiteren Gesprächsverlauf genutzt werden können.
Geschlossene Fragen
Im Gegensatz dazu bieten geschlossene Fragen nur wenig Spielraum für ausführliche Antworten. Sie erfordern in der Regel eine kurze, präzise Antwort, oft in Form von „Ja“ oder „Nein“. Geschlossene Fragen sind nützlich, um konkrete Informationen zu erhalten oder um eine Entscheidung zu treffen.
Ein Beispiel könnte lauten:„Sind Sie zufrieden mit Ihrem aktuellen Anbieter?“
Geschlossene Fragen können helfen, das Gespräch zu fokussieren, aber sie sollten mit Bedacht eingesetzt werden. Werden zu viele geschlossene Fragen hintereinander gestellt, kann das Gespräch stocken und der Kunde fühlt sich möglicherweise in die Enge getrieben.
Alternativfragen
Alternativfragen bieten dem Kunden eine Wahlmöglichkeit, lenken jedoch das Gespräch in eine bestimmte Richtung. Diese Technik ist besonders effektiv, um den Kunden zu einer Entscheidung zu bewegen, ohne dabei den Eindruck zu erwecken, er werde unter Druck gesetzt.
Ein Beispiel könnte lauten:„Möchten Sie lieber am Freitag oder am Montag einen Termin vereinbaren?“
Durch die Alternativfrage wird der Kunde dazu gebracht, sich zwischen zwei Optionen zu entscheiden, die beide für den Verkäufer vorteilhaft sind. Diese Technik gibt dem Kunden ein Gefühl der Kontrolle, während der Vertriebsprofi das Gespräch dennoch in die gewünschte Richtung lenkt.
Hypothetische Fragen
Hypothetische Fragen regen den Kunden dazu an, über mögliche Szenarien nachzudenken. Sie eignen sich hervorragend, um den Kunden in eine bestimmte Richtung zu führen und ihm den Mehrwert eines Produkts oder einer Dienstleistung vor Augen zu führen.
Ein Beispiel für eine hypothetische Frage wäre:„Wie würden Sie reagieren, wenn wir Ihnen ein Angebot machen könnten, das Ihre Kosten um 20 % reduziert?“
Diese Art von Frage lädt den Kunden dazu ein, sich vorzustellen, wie er von der vorgeschlagenen Lösung profitieren könnte. Dadurch wird der Kunde emotional in das Gespräch eingebunden und beginnt, über die Vorteile nachzudenken, die er durch den Kauf erhält.
Suggestivfragen
Suggestivfragen steuern das Gespräch subtil in eine bestimmte Richtung, indem sie dem Kunden bereits eine Antwort suggerieren. Diese Technik ist besonders wirksam, um den Kunden zu einem bestimmten Ergebnis zu führen, ohne dass er das Gefühl hat, beeinflusst zu werden.
Ein Beispiel könnte sein:„Sie möchten doch sicher, dass Ihr Unternehmen durch diese Lösung effizienter wird, oder?“
Durch die Suggestivfrage wird dem Kunden bereits die Antwort vorgegeben, die der Vertriebsprofi anstrebt. Der Kunde wird in die Richtung gelenkt, die den Verkaufsprozess vorantreibt, während die Frage dennoch offen genug bleibt, um dem Kunden Entscheidungsfreiheit zu suggerieren.
Häufig ist auch das Timing ist entscheidend
Die Fragetechnik allein ist nicht genug. Es kommt nicht nur darauf an, welche Fragen gestellt werden, sondern auch darauf, wann sie gestellt werden. Der Beziehungsaufbau ist entscheidend. Im Vertrieb – und insbesondere im Coaching – zeigt sich, dass der Erfolg einer Frage oft davon abhängt, ob der richtige Moment dafür gekommen ist.
Stellt man eine Frage zu früh, bevor Vertrauen aufgebaut wurde, riskiert man, den Kunden zu verschrecken oder zu verschließen. Stellt man eine Frage jedoch zu spät, könnte die Gelegenheit bereits verpasst sein. Es erfordert also ein gutes Gespür, um zu erkennen, wann der Kunde bereit ist, eine bestimmte Frage zu beantworten – besonders bei sensiblen Themen oder bei Einwänden.
Fazit: Fragetechnik erfordert Feingefühl
Die Fragetechnik ist mehr als nur das bloße Stellen von Fragen. Sie ist eine Kunst, die nicht nur technisches Wissen erfordert, sondern auch Feingefühl und Erfahrung. Wer die richtigen Fragen stellt und den passenden Zeitpunkt wählt, kann Gespräche effektiv lenken, Vertrauen aufbauen und den Verkaufsprozess erfolgreich gestalten.
Wenn man die verschiedenen Fragetechniken geschickt einsetzt, kann man den Kunden nicht nur besser verstehen, sondern auch seine Kaufentscheidungen positiv beeinflussen. Ob offene Fragen, geschlossene Fragen, Alternativfragen oder hypothetische und suggestive Fragen – jede Technik hat ihren Platz und kann das Gespräch gezielt in die gewünschte Richtung lenken.
Merke: „Wer die richtigen Fragen stellt, der führt wirklich!“